Sichere Stimmauszählung

CR239 Freie und transparente Wahlen durch Public Funded Code ()

Allgemein, gleich, unmittelbar, frei und geheim müssen demokratische Wahlen sein. So lernt es jedes Schulkind. Die Wahlen gehören zum Allerheiligsten der Demokratie – und die Auswertung ist doch so aufwändig, dass es für die Wähler nicht mehr transparent ist. Im Chaosradio 239 wollen wir gemeinsam herausfinden, wie der technische Teil einer Wahl abläuft. Wie werden die ausgezählten Stimmen weitergegeben, was kann dabei schief gehen und was ist bei der Bundestagswahl tatsächlich schiefgegangen? Wo kann und will man Computer einsetzen und wo sind sie keinesfalls zu akzeptieren? Welche Rolle kann Public Funded Code dabei spielen?

Mitwirkende

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Marcus Richter
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Katharina Nocun
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Elisa
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Martin Tschirsich

Ein Gedanke zu „Sichere Stimmauszählung

  1. Letztlich ist das mal ein Thema, bei dem man sich die ganzen Probleme ersparen kann und auch sollte, indem man auch voll „offline“ und „analog“ vorgeht.

    Bundestagswahlen waren schließlich schon mit vorläufigen amtlichen Endergebnissen möglich, lange bevor an irgend einer Stelle Computertechnik eingesetzt wurde. Abgestimmt wird zum Glück ja bis heute „analog“ und mit Zetteln, die dann in der Regel 5 Jahre in verplombten Behältern aufbewahrt und jederzeit für eine Nachzählung herangezogen werden können. Die Auszählergebnisse wurden früher einfach telefonisch von den Wahllokalen an den Bundeswahlleiter gemeldet, entsprechende Daten zur Legitimation wurden postalisch versendet. Das amtliche Endergebnis wurde erst verkündet, nachdem auch die Ergebnisurkunden der einzelnen Wahllokale, von den lokalen Wahlvorständen unterzeichnet, postalisch beim Bundeswahlleiter eingegangen, überprüft und addiert wurden.

    Erstens können und sollten wir uns den „Luxus“, etwas mal nicht voll auf Effizienz zu trimmen – nur dazu ist Computerisierung ja letztlich da – alle paar Jahre zum Hochamt der Demokratie leisten. Zweitens müssen wir uns das auch leisten. Denn einer der wichtigsten Grundsätze einer demokratischen, modernen Wahl ist die Transparenz. Wahlbeobachter – im Grunde als Jedermann – müssen lückenlos den gesamten Prozess, von der Stimmabgabe im Wahllokal bis zum Endergebnis, nachvollziehen können. Das darf keinen Experten vorbehalten sein – wobei ja offenbar nicht einmal jeder Informatiker z. B. den Code von „PC-Wahl“ versteht, sonst hätte man diesen ja einfacher patchen können. Geschweigedenn ein Bürger mittlerer Bildung und echten Interesses. Der kann sich noch so sehr bemühen, er wird mit Codezeilen nichts anfangen können.

    Also können Wahlbeobachter auch nicht in der notwendigen Form den Wahlprozess von Anfang bis Ende stringent nachvollziehen. Das habe ich mir übrigens auch nicht gerade erst aus den Fingern gesogen, sondern das ist einer der Hauptkritikpunkte internationaler NGOs wie z. B. dem Electoral Integrity Project oder auch Transparency International an computerassistierten Wahlen.

    Es kann einfach nicht sein, dass man z. B. (aus guten Gründen) persönlich beim Standesbeamten oder Notar erscheinen und eigenhändige Unterschriften leisten muss, wenn man das Eigentum an einer Immobilie überträgt oder sich in einer Ehe rechtlich sehr eng aneinander bindet und einander verpflichtet, aber der Kern unserer gesamten staatlichen Ordnung – von der Wahl wird jegliche Legitimation staatlichen Handelns abgeleitet, bis hin zum kleinen einfachen Strafzettel für Falschparken, der bei Nichtzahlung letztlich zu Beugehaft führt, alles muss verfassungsrechtlich von der Wahl abgeleitet sein, die jede staatliche Ordnung legitimiert und „perpetuiert“, wie die Juristen dazu sagen – dieser Kern soll über EDV organisiert werden?

    Das schmeckt mir ganz und gar nicht. Mithin ist und bleibt das nicht nur eine zusätzliche Fehlerquelle (man stelle sich vor, „PC-Wahl“ hat die letzten 30 Jahre irgend eine Nachkommastelle falsch berechnet, es fiel nie jemandem auf und das stellt man jetzt fest und damit wären alle Parlamente seit den 80ern falsch zusammengesetzt gewesen…), es muss ja nicht immer gleich foul play im Spiel sein, sondern auch ein Einfallstor für Manipulationen. Damit wird auch das Mehraugenprinzip bei der Arbeit in Wahllokalen und bei den Wahlleiterbüros ad absurdum geführt. Da können tausende Augen und die gesamte Weltöffentlichkeit auf den ordnungsgemäßen Ablauf im Wahllokal schauen, wenn dann hinterher in einer Blackbox einer PC Software in zigtausenden Wahllokalen im ganzen Land Manipulationsmöglichkeiten bestehen. Und eine Blackbox ist das für die allermeisten Bürger nun einmal selbst dann, wenn der Code Open Source ist. Dann müssen sich alle Nicht-Coder genauso auf die Expertise der Open Source Community verlassen, wie jetzt auf die Expertise des proprietären Herstellers. Das mag für „hacktivism“ einen politischen Unterschied darstellen, aber macht für IT Laien im Resultat trotzdem keinen Unterschied. In beiden Fällen sind sie schlicht nicht in der Lage, den Wahlprozess transparent zu verfolgen und zu kontrollieren – und das bei einer solch entscheidenden Schnittstelle, wie der Übermittlung und Addition der Stimmen!

    Wie ich es auch drehe und wende, wenn wir aus dieser Causa irgend eine Konsequenz ziehen sollten dann die, auf IT einfach komplett zu verzichten. Der ganze Wahlprozess ist so oder so manuell und „offline“, ausgerechnet an der Schnittstelle der Übermittlung etwas manuellen Aufwand einsparen zu wollen, indem man IT einsetzt, entwertet in gewisser Weise den ganzen manuellen Aufwand in den Wahllokalen. Dann kann man auch gleich Wahlcomputer wie in den USA hinstellen, mit all den Unwägbarkeiten und grundsätzlichen Problemen.

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